Isabel Roessler nimmt in der vierten Folge des CHE Wahlprogramm-Checks den Stellenwert von Third Mission mit all ihren Facetten unter die Lupe.
Alle weiteren Folgen des Wahlprogramm-Checks zu den Themen akademische Weiterbildung, Durchlässigkeit zwischen beruflicher und akademischer Bildung, digitale Hochschulbildung und Hochschulfinanzierung sind online unter den jeweiligen Links abrufbar.
Die Herausforderungen
Transfer, Innovationen, Wissenschaftskommunikation, gesellschaftliche Verantwortung oder Kooperationen sind Schlagworte, mit denen sich die Hochschulen seit einigen Jahren immer stärker auseinandersetzen. Sie ergänzen das umfangreiche Spektrum aus Lehre und Forschung, führen zu einer geänderten Wahrnehmung seitens der Wissenschaft wie auch der Gesellschaft. Doch je mehr sich die Erwartungshaltung den Hochschulen gegenüber ändert, desto größer sind die Herausforderungen auf der Seite der Wissenschaft. Jeder einzelne Aspekt dieser Aufgaben, die unter dem Stichwort Third Mission zusammengefasst werden, hat eine Daseinsberechtigung und ist wichtig. Das wird auch auf Hochschulseite zunehmend so eingeschätzt. Zugleich sind diese Aufgaben aber auch mit Kosten und Arbeit verbunden – und die Frage nach hochschulinternen Qualifizierungen des eigenen Personals schwingt auch stets mit.
Lösungsansätze in den Wahlprogrammen
Die Third Mission der Hochschulen hat ihren Weg in die Wahlprogramme gefunden – nur bei der AfD finden sich keine Passagen dazu. Nahezu alle der großen Parteien befassen sich mehr oder weniger umfangreich mit den verschiedenen Facetten der Third Mission. Vor allem das Schlagwort der Innovationen zieht sich wie ein roter Faden durch die Programme. Während die FDP noch an der Gründung der Deutschen Transfergemeinschaft (DTG) festhält und mit ihr sowohl technologische als auch Soziale Innovationen fördern möchte, entwickeln die Grünen die Idee der D.Innova, die gleich das ganze regionale Innovationsökosystem in den Blick nimmt. Die SPD plant eine gezielte Förderung der geistes-, sozial- und kulturwissenschaftlichen Forschung, um soziale Innovationen zu unterstützen und auch die CDU hat die Sozialen Innovationen als Antwort auf die Lösung gesellschaftlicher Herausforderungen identifiziert und plant die Ergänzung der Hightech-Strategie durch eine soziale Innovationsstrategie. Eng mit Innovationen verbunden sind Gründungen, gerne auch aus Hochschulen, die ebenfalls von nahezu allen Parteien breit gefördert und unterstützt werden sollen. Die Verbesserung der konkreten Bedingungen für Ausgründungen steht hier im Fokus.
Als besonders wichtig wird auch die Rolle der Wissenschaftskommunikation gesehen, um das Wissen in die Zivilgesellschaft zu transferieren. Die Parteien sehen, dass die Hochschulen hier noch Nachholbedarf zu haben scheinen. So fordern CDU und die Grünen Weiterbildungsangebote für Wissenschaftler*innen in diesem Bereich, die Linken möchten den Austausch zwischen Hochschulen, zivilgesellschaftlichen Akteuren und Organisationen stärken und die SPD plant, Gelder für Open Science und Wissenschaftskommunikation bereitzuhalten.
Unsere Position
Third Mission und ihr Stellenwert in der Hochschulagenda steht seit längerem im Fokus vieler CHE Forschungsprogramme. Die Aktivitäten der Hochschulen auf diesem Gebiet sind vielfältig und teilweise nutzen Hochschulen die Themen der Third Mission sogar zur Profilierung.
Gerade in der jüngsten Vergangenheit haben die Themen Wissenschaftskommunikation und Soziale Innovationen deutlichen Aufwind erhalten. Brachte vor allem die Covid-19 Pandemie die Bedeutung der Wissenschaftskommunikation noch einmal deutlich nach vorne, befeuern die großen gesellschaftlichen Herausforderungen und die Klimakrise die Wichtigkeit Sozialer Innovationen.
Fazit
Das komplette Spektrum der Third Mission und ihre Bedeutung für Hochschulen und Gesellschaft scheint mittlerweile auch in der Politik angekommen zu sein. Egal, wer ab September Regierungsverantwortung hat: Es sollte davon ausgegangen werden können, dass sich hier etwas bewegt. Mehr Förderung, mehr Unterstützung. An dem in den Programmen propagierten Stellenwert, müssen sich die Parteien nun messen lassen. Die Nagelprobe stellt sich u.a. beim Thema Finanzierung, wo die Parteien alle nicht ins Detail gehen.
Wichtig ist, dass es sich bei den Unterstützungsmaßnahmen nicht um Eintagsfliegen sondern langfristig und nachhaltig geförderte Maßnahmen handelt. Wenn Third Mission in all ihren Facetten zum Aufgabenspektrum der Hochschulen gehören soll, muss sie auch entsprechend strukturiert und planvoll gefördert werden. Einzelne Fördermaßnahmen oder Unterstützungszusagen reichen da nicht aus. Sollte es keine Möglichkeit geben, auch langfristig Strukturen aufzubauen, die die Third Mission der Hochschulen unterstützen und stärken, bleiben die großen Würfe an dieser Stelle auf der Strecke. Denn dann sind es weitere Aufgaben, die on top auf das Alltagsgeschäft aufgesattelt werden. Die Themen sind jedoch zu wichtig, um nur auf die intrinsische Motivation der Beteiligten zu setzen. Jetzt ist der richtige Zeitpunkt, um an diesen Stellen zu investieren. Die Hochschulmitglieder arbeiten an den gesellschaftlichen Herausforderungen unserer Zeit. Die Politik ist gefordert, sie darin bestmöglich zu unterstützen.
Eine ausführliche Analyse aller Wahlprogramme zu vielen weiteren Themen der Hochschulpolitik sowie zum Schwerpunkt Digitalisierung findet sich im Blog des Hochschulforums Digitalisierung.