In einer Diskussion vor einigen Wochen benutzte ein Vizepräsident für die Beschreibung seiner Arbeit das Bild eines Orchesterdirigenten. Klingt erst mal gut, greift aber zu kurz. Und das nicht nur, weil Orchester oft Stücke, die man schon kennt und die sehr alt sind, vor elitärem Publikum spielen.

Stattdessen sollte man das Bild musikalisch weiter fassen: In einer Hochschule spielen durchaus größere Gruppen von Top-Musikerinnen und Musikern gemeinsam, zum Beispiel in einem Exzellenzcluster. Das sind die gefeierten Top-Bands. Aber es gibt auch Solo-Künstler, Singer-Songwriter und Ensembles ganz unterschiedlicher Nischen und Stilrichtungen. Ein gutes Plattenlabel hat einen Markenkern, starke erstklassige Bands im Programm, aber auch Raum für Experimentelles und Individualisten.


Übersetzt in die Sprache des Wissenschasmanagements heißt das: Natürlich bedeutet Profilbildung, dass strategische Prioritäten gesetzt und Schwerpunkte oder Cluster in Forschung und Lehre gebildet und durch Leadership zusammengehalten werden. Genauso braucht die Hochschule aber Forscherinnen und Forscher, die in neuen Feldern experimentieren und möglicherweise die Grundlagen für den Schwerpunkt der Zukun entdecken und darin
gefördert werden.

In der Kulturtheorie gibt es die These, dass die Kultur einer Gruppe durch Abweichungstoleranz gestärkt wird. Ein Beispiel: Eine Fakultät möchte insgesamt eine Kultur studierendenzentrierter Lehre etablieren. Es gibt aber einige Profs, die sehr klassische Frontalvorlesungen halten und dennoch von den Studierenden geliebt werden sowie gute Lernerfolge erzielen, weil sie etwas zu erzählen haben. Statt in den Konflikt mit ihnen zu gehen und die Lehre komplett zu mainstreamen, sollte die Fakultätsleitung ihren Erfolg in der Lehre explizit wertschätzen und sie – solange die Qualität stimmt – ihr Ding machen lassen, gleichzeitig aber dennoch systematisch den strategischen Schwerpunkt der Studierendenzentrierung fördern und ausbauen.


Ich könnte auch mein eigenes Beispiel anführen das Kompetenzzentrum für Hochschul- und Wissenschaftsmanagement ist für die Hochschule Osnabrück
nicht profilbildend. Dennoch weiß ich, dass die Hochschulleitung unsere Arbeit schätzt und Qualität anerkennt.
Wir erhalten alle Spielräume, um vielfältige Drittmittelprojekte zu starten und neue Studienformate auszuprobieren. Gleichzeitig werden aber wesentliche Ressourcen in andere, das Profil prägende Schwerpunkte gesteckt – und das ist auch gut so. Man braucht Produkte, die man ins Schaufenster stellt und die viel Regalfläche belegen, aber es sollte ein breiteres Sortiment geben, um wirklich Bedarfe und kommende Trends abzudecken.


Das Wissenschasmanagement kann weitere Vorkehrungen treffen, um die Balance zwischen Profilierung und Dynamik zu halten: Forschungscluster können regelmäßig evaluiert werden, sie können gestoppt werden oder neue kommen hinzu. Damit kommt in die Profilbildung eine dynamische Komponente, die Entwicklungen antizipiert. So wie Plattenlabels, die Trends im besten Fall frühzeitig erkennen und die passenden Musiker und Bands bereits unter Vertrag
haben. Dann geht es Hochschulen auch nicht wie dem Plattenlabel Decca Records, welches die Beatles 1962 nach Probeaufnahmen mit den Worten „Gitarrenbands
geraten aus der Mode“ ablehnte.

erschienen in DUZ Wissenschaft & Management, Ausgabe 7/2024, S. 9

Frank Ziegele

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Hochschulmanagement und -steuerung ,Hochschulfinanzierung und -controlling, Veränderungs- und Strategieprozesse an Hochschulen, Hochschulranking, U-Multirank, internationale Vergleichsstudien und angewandte Hochschulforschung, gesellschaftliche Verantwortung von Hochschulen, Entwicklung von Hochschulsystemen

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