Hinter modischen Managementbegriffen stecken manchmal altbewährte Ideen, gelegentlich aber auch ganz neue. Wissenschaftsmanager sollten genau hinschauen und sich das passende Konzept für die eigene Hochschule zusammenstellen

Es gibt Dutzende Managementkonzepte, die letztendlich alle dasselbe wollen: den Wandel einer Organisation ermöglichen und voranbringen, kontinuierliche Prozesse der Qualitätsverbesserung anstoßen und vorantreiben, zielorientiert und flexibel sein, statt stehenzubleiben. Trotz ähnlicher Zielsetzungen machen uns die Protagonisten und Verkäufer dieser Konzepte aus nachvollziehbaren Gründen klar, dass ihr jeweiliger Ansatz der allein selig machende sei.

Ich durfte neulich an einem Workshop teilnehmen, in dem Projektverantwortliche einer Hochschule begeistert von ihren Erfahrungen mit agilem Management, speziell der Scrum-Methode, berichteten. Daraufhin meldete sich eine erfahrene Wissenschaftsmanagerin und sagte trocken: „Klingt ja interessant, das mache ich seit 20 Jahren, bei uns heißt das aber Organisationsentwicklung.“ Der Kommentar bringt das ganze Dilemma des Themas zum Ausdruck. Er zeigt, wie wenig ratsam es ist, sich für Hochschulen exotische Begriffswelten wie Scrum-Master, Sprint-Planung und Product Backlog unreflektiert zu eigen zu machen und agiles Management formalisiert nach Schema F durchzuziehen. Gleichzeitig kann so ein Spruch auch jede Akzeptanz für ein ebenso notwendiges wie gutes agiles Managementkonzept binnen Sekunden komplett zum Erliegen bringen.


Dabei ist es im Grunde wie bei der Regalmeter füllenden Sparte der Eltern- und Erziehungsratgeber. Es gibt Dutzende Schulen und Ansätze und ständig neue
Herausforderungen. Eltern, die neue Anregungen begierig aufsaugen und als hilfreich empfinden und Schwiegereltern, die neue Ansätze als „unnötig“ oder
„haben wir früher schon so gemacht“ abtun. Eine solche Abqualifizierung neuer Impulse wäre auch im Hochschulkontext schade, denn im agilen Management stecken Ideen, die für die Hochschulentwicklung enorm wertvoll sind. Um zu denen vorzudringen, muss man jedoch hinter die Begriffsoberfläche schauen und die Wirkungsweise verstehen. Beispielsweise ist die Idee kurzer Sprints mit starker Priorisierung, kurzen Zeitintervallen und vielen Feedbacks im Prozess für Hochschulen enorm sinnvoll. Managementzyklen an Hochschulen dauern nämlich im Moment oft zu lang, um hinreichend reaktionsfähig zu sein, man denke an drei bis fünf Jahre laufende Zielvereinbarungen. Auch der Ansatz verteilter Ownership mit klarer Verantwortung für Prozesse und Produkte kann Hochschulen nur guttun. Produktverantwortung kommt in klassischen Fakultätsstrukturen nicht hinreichend vor, agiles Management kann diesen Mangel beheben. Und ein tägliches Stand-up-Meeting eines Teams ist ebenfalls eine wunderbare Idee.


Was ist also zu tun? So wie die seriösen Erziehungsratgeber-Autoren nicht behaupten, den Schlüssel für alle denkbaren Familienkonstellationen zu haben, sollte man auch ans agile Management herangehen. Es kann eigentlich kein One-size-fits-all-Managementkonzept geben – man denke nur daran, wie groß die Kulturunterschiede und Prozesse in großen und kleinen Hochschulen sind. Die Kunst ist es, hinter die Fassade zu blicken, sich die geeigneten Bausteine herauszugreifen und daraus etwas zu formen, was zur Kultur der Wissenschaftseinrichtung passt. Mit der Fähigkeit zum „cultural customizing“ hat man so wahre Agilität bereits ganz praktisch bewiesen.

erschienen in DUZ Wissenschaft & Management, Ausgabe 6/2024, S. 9

Frank Ziegele

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Hochschulmanagement und -steuerung ,Hochschulfinanzierung und -controlling, Veränderungs- und Strategieprozesse an Hochschulen, Hochschulranking, U-Multirank, internationale Vergleichsstudien und angewandte Hochschulforschung, gesellschaftliche Verantwortung von Hochschulen, Entwicklung von Hochschulsystemen

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