Abwehrreaktionen kommen häufig vor, wenn Hochschulen von außen Wandel auferlegt wird. Gehen sie damit jedoch richtig um, können sich Hochschulen den Veränderungsprozess zunutze machen – Erfahrungen aus Äthiopien
In Äthiopien arbeite ich gerade als Berater in einem wirklich außergewöhnlichen Projekt: Das Wissenschaftsministerium hat entschieden, 15 von fast 50 Universitäten des Landes in Hochschulen für angewandte Wissenschaften (HAW) umzuwandeln. Das Land braucht tatsächlich in den Regionen das HAW-Profil, aber die Begeisterung in den betroffenen Hochschulen hielt sich – durchaus erwartbar – zunächst in Grenzen. Im Kern ist dieser Vorgang jedoch weniger exotisch als es scheint: Auch bei uns werden staatlichen Hochschulen Change-Prozesse (wie zum Beispiel Hochschulfusionen) oftmals von außen durch staatliche Entscheidungen auferlegt. Die Hochschulen stehen dann vor dem Problem, diese Veränderung intern um- und durchzusetzen, obwohl sie sich das selbst gar nicht ausgesucht haben.
Viele Hochschulen greifen in solchen Situationen auf die Devise „Dienst nach Vorschrift“ zurück, minimieren den Aufwand und betonen die Unfähigkeit des Ministeriums. Dabei wird versucht, mit minimalem Veränderungsaufwand das bisherige Agieren möglichst unbeeinträchtigt fortzusetzen, gern begleitet von Reformfassaden. Mein Vorgehen als Hochschulführung wäre anders: Ich würde zunächst überlegen, ob in dem Veränderungsprozess auch etwas Positives
für meine Hochschule drinsteckt. Das Narrativ könnte sein: Wir haben uns das Ganze nicht ausgesucht, sehen in der Veränderung aber eine Chance, die wir
in unserem ureigensten Interesse nutzen können. Also lasst uns nicht mehr über ministerielle Entscheidungen lamentieren, sondern den Prozess lieber zu unserem eigenen machen und selbst die Kontrolle übernehmen.
Für das äthiopische Beispiel wäre die interne Devise dann etwa: Wir wollten schon immer stärker auf unsere lokale Community mit Service Learning zugehen. Oder: Wir haben einen herausragenden anwendungsorientierten Forschungsschwerpunkt, der bisher mit unserem Uni-Profil nicht genug gefördert wurde. Aus Getriebenen werden nun wieder Treiber, denn die Hochschule übernimmt aktiv die „Ownership“ für den Change-Prozess und schafft ihre eigene Story, die intern für Identifikation sorgt und die neue Situation positiv konnotiert.
Das Gute ist zudem, dass selbst für erzwungene Veränderungsprozesse das Acht-Stufen-Change-Modell von John P. Kotter greift, wenn man es leicht modifiziert. Beispielsweise ist der ersten „Sense of Urgency“-Phase meines Erachtens weniger Gewicht beizumessen, weil ja klar ist, dass die Veränderung passieren muss. Stattdessen sind die Vision und das Narrativ besonders bedeutsam, da es den unerfreulichen Ausgangspunkt in den Hintergrund treten lässt. Wenn die Vision sehr schnell zu „Short-term Wins“ führt, kann den Hochschulangehörigen deutlich werden, dass für die Hochschule aus der externen Entscheidung wirklich was Positives entstehen kann.
„Wenn der Wind der Veränderung weht, bauen die einen Mauern und die anderen Windmühlen“, sagt ein beliebtes Sprichwort. Ich bin froh, wenn ich einen kleinen Beitrag leisten kann, dass die äthiopischen HAW den staatlichen Rückenwind nutzen, um ihre eigenen Windmühlen zu entwickeln. Mehr Mauern braucht nun wirklich keiner.
erschienen in DUZ Wissenschaft & Management, Ausgabe 2/2024, S. 9