• Sonja Berghoff
  • 1. Januar 2016

CHE-AP188: Im Zuge der stark gestiegenen Studierendenzahlen, höherer Übertrittsquoten zwischen Schule und Hochschule und dem übergreifenden Trend zu höheren Akademisierungsquoten – durch welche das Studium zum Normalfall wird – ist auch die Anzahl der sogenannten nicht-traditionellen Studierenden in den letzten Jahren stark gestiegen. Als „traditionelle“ Studierende können gemeinhin finanziell unabhängige Vollzeitstudierende aus akademischem Elternhaus bezeichnet werden. Zunehmend jedoch kommen Studierende mit ganz unterschiedlichen Zugangsvoraussetzungen, sozioökonomischen und biografischen Hintergründen an die Hochschulen. Früher waren Studierende meist junge Menschen im Alter von 19 bis 25 Jahren, aus Deutschland, kinderlos, mit Abitur, die ein Präsenzstudium absolvieren und neben dem Studium kein Geld verdienen müssen. Heute sitzen jedoch auch Handwerksmeister(innen), alleinerziehende Eltern, Manager(innen) und Personen mit gesundheitlichen Beeinträchtigungen in den Seminaren und Übungen. In der 20. Sozialerhebung des Deutschen Studentenwerks wird dieser Befund auch im Lichte eines Wandels des Interessenprofils der Studierenden bestätigt. Eine Möglichkeit, auf diese adressierten Anforderungen zu reagieren, ist die Etablierung von Teilzeit-Studienformen.
Dieses Arbeitspapier zum aktuellen Angebot von Teilzeit-Studienangeboten in Deutschland, der gegebenen und potentiellen Nachfrage sowie daraus resultierenden Handlungsaufträgen will einen empirisch begründeten Impuls in diese Debatte einspeisen und dabei für alle beteiligten Akteure (Studierende, Hochschulen, Politik) Handlungsspielräume aufzeigen.
Die Option des Teilzeit-Studiums wird in der politischen Debatte sowie fast allen Landeshochschulgesetzen zwar adressiert, spielt aber keine überragende Rolle im aktuellen hochschulpolitischen Diskurs. Dem von Politik und Gesellschaft an die Hochschulen herangetragenen Wunsch einer Ausweitung des Angebots von Teilzeit-Studiengängen wird von Seiten der Hochschulen bisher nur sehr begrenzt Rechnung getragen. Im Allgemeinen ist das quantitative Angebot an Teilzeit-Studiengängen in fast allen Bundesländern noch ausbaufähig. Allerdings erscheint es gegenüber dem Ausbau einer formalen Möglichkeit, ein Teilzeit-Studium aufzunehmen, noch wichtiger, Maßnahmen zu ergreifen, damit formal vorhandene Angebote auch wirklich genutzt werden (können).
Unberührt von teils hohen und stetig steigenden Teilzeit-Quoten mit Bezug auf die Angebote an deutschen Hochschulen bleibt die Nachfrage nach entsprechenden formellen Teilzeit-Studiengängen abgesehen vom Fernstudium und trotz stabilem Anstiegs in den letzten Jahren verhältnismäßig gering. Mögliche Gründe dafür können vor allem bei der Umsetzung des Teilzeit-Studiums auf individueller wie institutioneller Ebene verortet werden (insbesondere bürokratische Hürden, Krankenkassen- und BAföG-Benachteiligung, starre Studienstruktur).
Das Papier endet mit Handlungsempfehlungen, die nahe legen, dass allein die faktische Möglichkeit, ein Teilzeit-Studium zu absolvieren, nicht ausreichend ist. Vielmehr müssen zielgruppenspezifische Angebote durch die Hochschule entwickelt werden und aus Sicht der Studierenden an Attraktivität gewinnen. Aus Sicht des Gesetzgebers scheinen rechtliche Vorgaben in den Hochschulgesetzen weniger zielführend für die Etablierung entsprechender Teilzeit-Angebote zu sein als vielmehr moderne Steuerungsansätze wie Zielvereinbarungen oder budgetäre Anreize. Auf diese Weise würde auch die Möglichkeit bekräftigt werden, dass Hochschulen Teilzeit-Studienangebote als Teil einer möglichen Profilierungsstrategie begreifen. Gleichzeitig müssen hemmend wirkende gesetzliche Rahmenbedingungen wie die Diskriminierung beim BAföG-Bezug sowie bei Krankenkassenbeiträgen für Teilzeit-Studierende überdacht werden. Ebenfalls förderlich scheint eine Ausweitung des bisher nur sehr begrenzt vorhandenen hochschulspezifischen wie -übergreifenden Informationsangebotes.
Autoren:
Berghoff, Sonja; Röwert, Ronny; Berthold, Christian: Das Teilzeit-Studium an deutschen Hochschulen - Wo stehen wir und was ist möglich?, Gütersloh, CHE, 2016, 45 Seiten,
ISBN 978-3-941927-68-1,
ISSN 1862-7188


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