• Isabel Roessler
  • 1. Januar 2016

Das Hochschulsystem befindet sich derzeit in einem Wandel. Es kommt zu Veränderungen im Gesamtsystem, zu Verschiebungen in der Ausrichtung und zur Ausweitung der Missionen der Hochschulen. Universitäten und Fachhochschulen scheinen sich immer weiter anzugleichen.
Eine stärkere Profilierung innerhalb des Systems ist daher notwendig und erscheint machbar. Neben die beiden Kernmissionen Lehre und Forschung ist in den vergangenen Jahren eine „dritte Mission“ getreten: Unter dieser, schlicht als „Third Mission“ bezeichneten Mission, werden Leistungen und Aktivitäten verstanden, die nicht direkt einer der beiden anderen Missionen zugeordnet werden können. Third Mission umfasst beispielsweise Weiterbildung, Wissens- und Technologietransfer, oder regionales und gesellschaftliches Engagement. Im Kern steht der möglichst wechselseitige Austausch mit der außerhochschulischen Umwelt. Das Engagement im Bereich der Third Mission eröffnet den Hochschulen eine Möglichkeit, sich deutlich von den traditionellen Universitäten zu differenzieren, in dem die Hochschulen ihren Schwerpunkt in Richtung der Third Mission Bereiche verschieben.
Eine weitere Differenzierungsmöglichkeit liegt im Bereich der Forschung. Bis in die 1980er Jahre hinein wurde die in den Hochschulen betriebene Wissenschaft als „zweckfrei“ betrachtet, ohne dass sie durch Einflüsse von außen in eine Richtung gedrängt wurde (Krücken, 2006, S. 9). Diese, Mode 1 genannte Sicht auf die Wissenschaft, wird als reine Grundlagenforschung verstanden, die ausschließlich „um ihrer selbst willen“ (Klages, 1967, S. 48) durchgeführt wird und innerhalb der Disziplinengrenzen stattfindet. Eine Diskussion darüber, ob der Mode 1 die einzige Form von Wissensproduktion sei, entwickelte sich 1994, als von Michael Gibbons mit dem Mode 2 Ansatz ein Wandel der Wissensproduktion heraufbeschworen wurde: Wissenschaft verändert sich demnach von der traditionellen – in einzelne Bereiche aufgegliederten – Wissensproduktion, hin zu „Nützlichkeitskriterien“ und zu interdisziplinären Forschungsverbünden (Gibbons, et al., 1994). In den vergangenen Jahren durchlief jedoch auch die Mode 2 Universität eine Weiterentwicklung in einen Mode 3. Im Mode 3 findet die gesamte Grundlagenforschung bereits im Anwendungskontext statt. Nach den Autoren des Mode 3 Konzeptes, Elias G. Carayannis und David F. J. Campbell, ist die Wissensproduktion im Mode 3 in ein Quadruple Helix Innovation System (Carayannis & Campbell, 2012, S. 1) eingebettet. Dieser Ansatz basiert auf den Arbeiten zur Triple Helix von Etzkowitz und Leydesdorff (2000). Ergänzend zu den drei Bereichen der Triple Helix, „Hochschule (university)“, „Wirtschaft (industry)“ und „Regierung/Politik (government)“, wird hier die (allgemeine) „Öffentlichkeit (public)“ und Zivilgesellschaft ergänzt (Carayannis & Campbell, 2012, S. 13). Die Quadruple Helix ist damit das Zusammenspiel der Bereiche, die auch bei Third Mission Aspekten einbezogen sind. Die Quadruple Helix ist somit das verbindende Element von Third Mission und Mode 3.
Campbell und Carayannis stellen 2012 die These auf, Fachhochschulen seien dazu geeignet, als Mode 3 Universität weiterentwickelt zu werden (Campbell & Carayannis, 2012b, S. 70). Belege für ihre Thesen oder empirische Untersuchungen fehlen jedoch. Vor dem Hintergrund der aktuellen Entwicklungen im Hochschulsystem ist die Idee eines neuen Universitätstypus aus hochschulforscherischer Sicht äußerst interessant. Die Arbeit setzt daher genau an dieser Stelle an. Anhand empirischer Untersuchungen an Hochschulen für angewandte Wissenschaften in Deutschland wird die Idee einer Mode 3 Universität analysiert.
Die Forschungsintention dieser Arbeit wird von drei Fragen geleitet:
1. Haben Hochschulen für angewandte Wissenschaften das Potential, Mode 3 Universitäten zu werden?
2. Was sind die Merkmale einer (zukünftigen) Mode 3 Universität und gibt es Hochschulen die diese Merkmale erfüllen?
3. Wodurch werden die Merkmale einer Mode 3 Universität beeinflusst?
Nach Abschluss der Untersuchungen ließ sich auf die Kernfrage der Arbeit, ob Hochschulen für angewandte Wissenschaften das Potential haben, Mode 3 Universitäten zu werden, eine eindeutige Antwort finden: Ja – das Potential ist in den Hochschulen für angewandte Wissenschaften da.
Für einige der Fachhochschulen wäre der Schritt zu einem Mode 3 Universitätstyp bereits heute machbar. Dies ist jedoch nach Ansicht der Verfasserin nicht notwendig. In den vergangenen Jahrzehnten ist es den Fachhochschulen gelungen, sich fest in der Hochschullandschaft zu etablieren. Durch eine bewusste Profilbildung, gezielten Ausbau von Third Mission Bereichen, planvolle Ausnutzung der Zusammensetzung der Professorenschaft und durch die Nutzung der äußeren Rahmenbedingungen, können die Hochschulen für angewandte Wissenschaften zu einer Diversifizierung des Hochschulsektors beitragen. Die Hochschulen für angewandte Wissenschaften sind durch ihre Kompetenzen in der Forschung, in der Lehre, in der Wahrnehmung von Außenkontakten und durch ihr Selbstverständnis bereits gut für einen möglichen Wandel des Hochschulsystems gewappnet. Autoren:
Roessler, Isabel: Haben Hochschulen für angewandte Wissenschaften das Potential, Mode 3-Universitäten zu werden?
- Der Einfluss von Third Mission und weiterer Faktoren auf Hochschulen für angewandte Wissenschaften auf dem Weg zur Grundlagenforschung im Anwendungskontext und der Einbettung in eine Quadruple Helix aus Wissenschaft, Wirtschaft, Politik und Zivilgesellschaft, Dortmund, 2016


Dateien
DateiAktion
Dissertation_Roessler_2016_06_22.pdfDownload

  • 3.93 MB Dateigröße
  • 1859 Downloads

Isabel Roessler

Senior Projektmanagerin

Tel.: +49 5241 9761-43
Fax: +49 5241 9761-40
E-Mail: Isabel.Roessler@che.de

Assistenz:
Anita Schmitz
Tel.: +49 5241 9761-41

Arbeitsschwerpunkte:
Fachhochschulen / Hochschulen für angewandte Wissenschaften, Third Mission an Hochschulen, Transfer, Hochschulentwicklung

https://www.che.de/teams/isabel-roessler